Freitag, 19. März 2010

Der Kuss

Sie saßen sich gegenüber, sprachen in einer Sprache, die ich einigermaßen beherrschen sollte, doch ich verstand nichts, lachten.
Erst Rotwein, dann gingen sie zum Cognac über. Die braune Flüßigkeit wird immer wieder im breiten Volumen des Glases geschwenkt.
Im Kerzenschein schimmert es beerenstein, ein umkreisender Tanz.
Sie ist blond, erst später bemerkte ich was in ihrer schwermütigen Gestalt fehlt - Die Glückseeligkeit.
Ihr Gegenüber blieb durch seinen ausländischen Akzent im Gedächnis. Er sprach perfekt. Seine Gestalt war unscheinbar, doch genau das war es, was meine Aufmerksamkeit erregte.
Er war dominant, aber nicht aufdringlich. Er besaß diese Männlichkeit in zurückhaltender Form. Er war sich sicher. Er war sich im Klaren, was er tat - so schien es.
Nun war es der Cognac, der 7 Jahre länger lagerte. Schwenkend getanzt. Langsam wurde er leer genippt.
Plötzlich stand er auf, mit sicherem Stritt lief er auf die Frau zu. Ich wusste nicht, was sie davor gesprochen hatten doch ich wusste, dass ich die Mimik der Frau nicht deuten konnte. Sie hatte keine.
Er küsste sie. Mit einem Abstand und doch so intensiv, dass ich mich dafür schämte hinzusehen. Es waren wenige Sekunden, die Zeit war kurz, aber der Moment ausgedehnt lang. Meinen Blick konnte ich nicht abwenden. Es war, als ob ich den Cognacgeschmack selbst schmecken würde.
Insgeheim erschrak es und doch war es etwas, dass niemand bemerkte.

Und während ich mich immer noch in diesem Sekundenkuss befand, ließ er von ihren Lippen ab und ging. Sie drehte sich weg. Sie schämte sich - so empfand ich. Und dieses ungewollte Verlangen, dass durch seine Selbstsicherheit eigennützig getilgt wurde, bestärkte sein Darsein nur noch mehr.

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